Solidaritätsbeitrag

von Dominik Schmid

Stellen Sie sich vor, Sie sind 12, 13 oder vielleicht schon 14 Jahre alt. Ohne Gerichtsverfahren, ohne Verbrechen, ohne jegliches Mitspracherecht werden Sie eingesperrt- wie eine Kriminelle. Andrea Ludwig musste dieses Schicksal erleiden. Mit 15 Jahren wurde sie im Kanton Zürich zwei Wochen in der Kaserne eingesperrt – unschuldig: zwei Wochen ohne Tageslicht, ohne Dusche, ohne Möglichkeit sich die Zähne zu putzen. Sie entwickelte Ängste, die es ihr bis heute verunmöglichen Zug zu fahren. Sie muss jederzeit anhalten und aussteigen können.  Andrea Ludwig war mit 13 von Zuhause, von ihrem Ort geflüchtet wegen sexuellen Übergriffen. Statt Hilfe zu erhalten, wurde sie eingesperrt. Später wurde sie von ihrem Vormund ohne Gerichtsverfahren für fast ein Jahr zur "Umerziehung" ins Frauengefängnis eingewiesen. Diese Massnahmen hatten gravierende Folgen für ihr Leben. Ohne Schulabschluss, ohne Berufsausbildung musste sie ins Erwachsenenleben starten – mit bis heute spürbaren finanziellen Schwierigkeiten. Mit genügend Geld hätte sie Sozialpädagogik studiert.

Das ist keine düstere Fantasie – es ist Realität gewesen. Und es ist nicht lange her. Dieses Unrecht geschah vor weniger als 50 Jahren – mitten in der Schweiz. Das kann man sich schon gar nicht mehr vorstellen.  

Andrea Ludwigs Geschichte steht stellvertretend für Viele.  

Kinder, Jugendliche wurden ins Heim und in Pflegefamilien gebracht, nur weil die Eltern arm waren, alleinerziehend oder sie sich nicht genügend um die Kinder kümmern konnten. Dort mussten sie hart arbeiten und erlebten nicht selten Misshandlung, Ausbeutung, Hunger und viele physische und emotionale Entbehrungen.  Eine ordentliche Ausbildung, die ihnen später eine Zukunft gesichert hätte, blieb ihnen oft verwehrt. Die Folgen sind lebenslange Belastungen, schweres psychische Leid und wirtschaftliche Not.

Heute können wir auch im Kanton Zürich Verantwortung für dieses Unrecht übernehmen mit einem Solidaritätsbeitrag. Der Bund hat mit einem ersten Schritt einen Beitrag von 25'000 Fr. geleistet, aber das reicht nicht. Das Gesetz sieht vor, dass auch die Kantone einen zusätzlichen Beitrag leisten. In der Stadt Zürich gibt es bereits einen Solidaritätsbeitrag und auch der Kanton Schaffhausen hat ein Gesetz geschaffen, das in Vernehmlassung ist.

Die EVP fordert gemeinsam mit anderen Fraktionen – einen kantonalen Solidaritätsbeitrag von 25’000 Franken für alle Betroffenen im Kanton Zürich. Dieser soll schnell, unbürokratisch über den Gemeinnützigen Fonds ausbezahlt werden.

Wir wissen: Das Leid dieser Menschen kann mit Geld nicht aufgewogen werden. Doch dieser Beitrag ist ein Zeichen der Anerkennung für das erlittene Unrecht. Er kann Betroffenen finanziell etwas Spielraum verschaffen. Es kann auch eine Ermutigung sein sich weiter für Gerechtigkeit einzusetzen.  Andrea Ludwig kann heute Morgen nicht hier sein, sie erzählt gerade ihre Geschichte an der Fachhochschule für Soziale Arbeit in St. Gallen. Sie kämpft dafür, dass dieses Unrecht nicht vergessen geht und sich so etwas nie wieder wiederholt.

Wir wissen: nicht sie waren schuld, sondern unser System das Unrecht als Fürsorge verkaufte.

Wir haben heute die Chance, das Leben dieser Menschen wenigsten ein Stück weit zu verbessern.  Doch wir müssen schnell handeln - viele der Betroffenen sind schon alt. Eigentlich ist es «gschämig», dass die Betroffenen nicht schon viel früher finanzielle Wiedergutmachung erhalten haben. Das hätte viel mehr gebracht. Dann wären die Betroffenen noch Mitten im Leben.

 

Für Auskünfte
Andrea Grossen-Aerni, EVP-Kantonsrätin, Wetzikon. 077 462 13 88, andrea@grossen-aerni.ch
Mark Wisskirchen, EVP-Geschäftsführer, Kloten, 044 271 43 02, E-Mail schreiben

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