Lehrpersonenmangel: Schluss mit Feuerwehrübungen!

von Dominik Schmid

Bei dieser dringlichen Interpellation geht es um eine Feuerwehrübung. Konkret: Um den Versuch, den Notfall-Einsatz von Personen ohne anerkanntes Lehrdiplom in den Zürcher Volksschulen ab August vorzubereiten und zu begleiten. Mit unserer Interpellation haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass z.B. der Kanton Schaffhausen dafür einen Intensivkurs «Ready for Teaching 2022» mit Schulungseinheiten und wöchentlichen Praxistreffen anbietet – und wir haben gefragt, ob dies im Kanton Zürich auch angeboten wird.

Wir haben gefragt und die Bildungsdirektion hat erfreulicherweise geantwortet mit konkreten Massnahmen:

  • Die PH Zürich wird Kurzkurse und Planungswochen anbieten mit einer kostenlosen Einführung in das Zürcher Schulwesen, angeboten wird auch ein individuelles Coaching (Letzteres allerdings wird den Gemeinden verrechnet).
  • Ein eigentliches Unterstützungsprogramm – den sog. Plan L - bietet das Institut Unterstrass an, mit dem die Lehrpersonen auf sechs Ebenen auf den Unterricht vorbereitet und laufend gecoacht werden – unter anderem mit einem mehrtägigen Kickoff-Treffen, einem Grundlagenkurs, Coachings und Intervisionen. Ein wie mir scheint sehr solides und hilfreiches Programm – schade nur, dass das Volksschulamt die Kosten von Plan L nicht übernimmt…
  • Zu begrüssen jedenfalls ist, dass Lehrpersonen ohne anerkanntes Diplom, die sich im kommenden Schuljahr bewähren, längerfristige Perspektiven mit einer Ausbildung erhalten und die Aufnahme an der PHZH erleichtert werden soll – mit Anrechnung von allfällig vorhandenen Berufserfahrungen in verwandten Bereichen.
  • Ebenfalls zu begrüssen ist das Versprechen der Bildungsdirektion, dass den Studierenden ermöglicht werden soll, studienbegleitend zu unterrichten und dass an der PHZH die Studienplätze weiter ausgebaut werden sollen.

Und damit sind wir nun beim eigentlichen Grund der Feuerwehrübung: Dem Lehrpersonenmangel. Der Lehrpersonenmangel ist dramatisch: Noch fehlen für das nächste Schuljahr rund 500 Lehrpersonen in den Volksschulen des Kantons Zürich – und das 4 Wochen vor den Sommerferien! Landauf landab sind Schullleitungen und Schulbehörden daran, den «Plan B» zu entwerfen: Mitarbeitende ohne Lehrdiplom einsetzen, Klassen zusammenlegen, Pensionierte anfragen, Schulassistenzen engagieren etc… Ich bin überzeugt: Mit vereinten Kräften werden es die Engagierten des Schulfeldes schaffen, das neue Schuljahr geordnet aufzugleisen – aber längerfristig ist eine solche Mangellage keine gangbare Lösung!

Natürlich bin ich mir bewusst, dass in vielen Berufsbereichen Fachkräftemangel herrscht – doch anders als ein Hotel oder ein Spital, können wir nicht einfach eine Anzahl Betten schliessen und wie eine Airline Flüge streichen – die Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf Bildung! Und wir tun gut daran, alles zu tun, dem Lehrpersonenmangel zu begegnen und unsere Volksschule mit ihrer eminent wichtigen gesellschaftlichen Funktion zu schützen, dass sie nicht ernsthaften Schaden nimmt!

Deshalb zum Schluss noch die Frage, wie wir denn dem Lehrpersonenmangel begegnen sollen, damit solche Feuerwehrübungen ein Ende haben. Ganz einfach: Die Lehrpersonen sollen einfach ihre Teilzeitpensen erhöhen, sagen die einen. Im Gegenteil: Die Lehrpersonen sollen entlastet werden, damit sie wieder mehr arbeiten können, sagen die anderen.

Es ist damit wie oft in der Politik: Die Lösungen tönen einfach, aber die Wirklichkeit ist wesentlich komplexer. Die Ursachen des Lehrpersonenmangels sind vielfältig: Stark steigende Schülerzahlen durch Verschiebung des Stichtags, höhere Geburtenrate und stärkeren Zuzug aus anderen Kantonen, Fachkräftemangel aufgrund der Pensionierungswellen einer grossen Anzahl von Baby-Boomern, viel mehr Teilzeit-Arbeitende als früher, stärkere Belastungen der Lehrpersonen durch Integrationen von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bedürfnissen, höhere Anforderungen an die Schule, aufwändigere Elternarbeit – und so weiter und so fort – all das führt zu hohen Arbeitsbelastungen, zu Überzeit und zu Pensum-Reduktionen.

Bei dieser Vielfalt von Ursachen leuchtet es ein, dass der aktuelle Lehrpersonenmangel so komplex ist, dass er auch nur mit einem Bündel an Massnahmen behoben werden kann:

  • Eine starke weitere Erhöhung der Studienplätze an der PHZH (und der Werbung dafür), weil die Teilzeit-Arbeit auch weiterhin eine Realität bleiben und der Lehrpersonenbedarf daher höher als bisher sein wird
  • Eine Stärkung der Attraktivität des PHZH-Studiums durch die Möglichkeit des Teilzeit-Studiums
  • Eine klare Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Lehrpersonen.
    Stichwort: Überzeit
    Stichwort: Berufsauftrag, Lektionenfaktor, Klassenlehrpersonen-Funktion
    Stichwort: Endliche eine 100%-Anstellung für Kindergarten-Lehrpersonen
  • Und liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Rat, die meinen, man könne die aktuelle Krise beenden, ohne dass man zusätzliche Finanzen in die Hand nimmt: Das ist eine Illusion, die auch in der Wirtschaft nicht funktioniert: Wenn sie in einem Bereich einen Mitarbeitendenmangel haben, dann müssen sie das Gesamt-Package verbessern, um wieder zu Mitarbeitenden zu kommen - das ist das uralte Prinzip von Angebot und Nachfrage…

 

Kommen wir weg von Feuerwehrübungen im Zürcher Volksschulwesen – mit vereinten Kräften können wir es schaffen, trotz der aktuellen Herausforderungen den Lehrpersonenmangel zu beheben.

Die EVP dankt allen Engagierten des Schulfeldes, die in diesen schwierigen Zeiten Grossartiges leisten - und sie bittet Politikerinnen und Politikern von links bis rechts, sich tatkräftig für eine gute Bildung für die nächste Generation einzusetzen!

 

Für Auskünfte
Hanspeter Hugentobler, EVP-Kantonsrat, Pfäffikon, 044 951 17 91, E-Mail schreiben

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