Ja zur Ausbildung von Fachkräften, Ja zu Stipendien ohne Wartefristen

von Dominik Schmid

Am 22. September 2024 wird im Kanton Zürich über die Parlamentarische Initiative betreffend Änderung im Bildungsgesetz abgestimmt. Das kantonale Bildungsgesetz soll so geändert werden, dass vorläufig Aufgenommene bei Stipendien ohne Wartefrist beitragsberechtigt sind – gleich wie Schweizer:innen und anerkannte Flüchtlinge. Zurzeit gilt für vorläufig Aufgenommene eine Wartefrist von fünf Jahren. Ein rascher Zugang zu Stipendien hilft, dass talentierte Personen zeitnah eine Berufsausbildung absolvieren, sich damit nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren und ihr eigenes Geld verdienen können. Eine breite Allianz von Parteien, Verbänden und Organisationen unterstützt dieses wichtige Anliegen. Ebenso spricht sich der Regierungsrat sowie eine Mehrheit des Kantonsrates für ein JA aus.

Der Kanton unterstützt gemäss Bildungsgesetz Personen finanziell, die oder deren Eltern nicht selbst für ihre Lebens- und Ausbildungskosten aufkommen können. Stipendien werden an Personen ausgerichtet, die eine Erstausbildung in einer Berufslehre, einer Mittelschule oder einer Hochschule absolvieren. Die Idee dahinter ist, dass sich auch Personen aus einkommensschwachen Familien eine Ausbildung leisten können.

Im Kanton Zürich leben 7'400 vorläufig Aufgenommene, davon rund 1200 im Alter von 17 bis 25 Jahren (siehe Monitoring Bericht über die Umsetzung der Integrationsagenda 2022 der kantonalen Fachstelle Integration). Diese Altersgruppe der 17 bis 25-jährigen ist die Hauptzielgruppe für Stipendien.

Über 80% der Personen mit F-Ausweis bleiben langfristig bis dauerhaft in der Schweiz. Die grosse Mehrheit der vorläufig Aufgenommenen stammt aus Syrien, Afghanistan und Somalia. Dort herrschte oder herrscht bis heute Bürgerkrieg. Sie sind Kriegsflüchtlinge. In der EU wird der vergleichbare Schutzstatus als «subsidiärer Schutz» bezeichnet – «vorläufig» ist im Titel nicht vorhanden. Es gibt in der Schweizer Politik immer wieder Bestrebungen, die «vorläufige Aufnahme» umzubenennen, weil die Bezeichnung als «vorläufig» einen kurzen Aufenthalt suggeriert.

Warum sagt eine breite Allianz Ja zur Ausbildung von Fachkräften

In der Schweiz sind sich alle einig, dass möglichst alle, auch alle jungen Geflüchteten, eine berufliche Ausbildung machen sollen. Für die allermeisten ist dies eine Berufslehre, für einzelne auch eine Ausbildung an einer Hochschule. Als qualifizierte Arbeitskräfte werden sie später einen wertvollen Beitrag in unserer Wirtschaft leisten. Die Firmen brauchen solche Fachpersonen dringend.

Mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung werden junge Geflüchtete ihr Leben selbst finanzieren und Steuern bezahlen können. Jeder Franken, der in die Bildung von Geflüchteten investiert wird, lohnt sich. Der Staat spart langfristig, wenn Steuererträge steigen und Kosten der Sozialhilfe wegfallen. Die Gemeinden werden mit Stipendien bei der Sozialhilfe entlastet.

Stipendien ermöglichen es jungen Menschen, die kein ausreichendes Einkommen haben, rasch in eine Berufsausbildung einzusteigen. Die bestehende Wartefrist von fünf Jahren für vorläufig aufgenommene Geflüchtete soll darum abgeschafft werden. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass junge Menschen jahrelang warten müssen, bis sie sich eine berufliche Ausbildung leisten können.

Die Finanzierung einer Berufsausbildung über Stipendien ist sinnvoller als eine Finanzierung einer Ausbildung über die Sozialhilfe. Denn mit Stipendien können sich junge Leute schon während der Berufsausbildung von der Sozialhilfe ablösen und ihr Leben selbstverantwortlich gestalten.

 

Weitere Informationen: https://bildungsgesetz-ja.ch

Kontakt:

Jasmin Pokerschnig, Kantonsrätin, Vertreterin der Parteien, 079 711 04 64

Malek Ossi, Co-Geschäftsleiter solinetz, Vertreter der Verbände, 078 962 10 87

 

 

 

Statements an der Medienkonferenz des überparteilichen Komitees

Hanspeter Hugentobler, Kantonsrat EVP

Das Kernanliegen dieser Vorlage: Die erfolgreiche Integration hoffnungsvoller junger Talente! Es geht um junge Menschen, die sich motiviert in einer Berufslehre oder in einem Studium engagieren wollen, aber das finanziell nicht vermögen. Es geht um junge Menschen, die in der Schweiz zwar Zuflucht gefunden haben, denen aber die Berufsausbildung erschwert wird, weil sie sich eine Ausbildung nicht leisten und keine Stipendien beziehen können. Es geht um sogenannt «vorläufig Aufgenommene», die erfahrungsgemäss langfristig in der Schweiz bleiben. Es macht daher Sinn, dass sie diese Zeit nutzen, in die Bildung mit einer Berufslehre oder einem Studium investieren, so dass sie für ihre spätere berufliche Tätigkeit dann gerüstet sind. Sagen wir JA zu einer sich lohnenden Investition, von der wir als ganze Gesellschaft profitieren!

 

Qëndresa Sadriu-Hoxha, Kantonsrätin SP

Der Begriff der Aufnahme als «vorläufig» ist irreführend und führt zur Annahme, dass der Aufenthalt geflüchteter Menschen mit diesem Aufenthaltsstatus (F) nur begrenzt sei. Fakt ist aber, dass über 80% der Menschen mit Aufenthaltsstatus F langfristig in der Schweiz bleiben. Der Kanton hat unter anderem das Integrationsziel zu erreichen, wonach 2/3 aller 16-25-jährigen vorläufig aufgenommenen Menschen nach 5 Jahren Aufenthalt in der Schweiz einer Ausbildung nachgehen müssen. Hier einzig bei Menschen mit Aufenthaltsstatus F eine Wartefrist von 5 Jahren bestehen zu lassen, verzögert nicht nur deren Berufsbildung und somit die Integration. Diese Wartefrist belastet darüber hinaus die Gemeindehaushälte durch fortbestehende Sozialhilfeleistungen und verzögert künstlich die Ausbildung von dringend benötigten und ausbildungsbereiten Fachkräften. Die finanzielle Unterstützung für geflüchtete Menschen mit Status F ist unter dem Minimum der Sozialhilfe. Das bedeutet, dass sie mit den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln ihren Lebensunterhalt nicht decken, und so häufig Jobs im Niedriglohnsektor annehmen und gewillt sind unter prekärsten Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Man kann sich nur vorstellen welch hohes Frustrationspotential sie tagtäglich tragen müssen. Ein menschenwürdiges Leben sieht anders aus! Mit der Aufhebung der Wartefrist schlagen wir somit mehrere Fliegen mit einer Klappe. Wir fördern die Integration und Ausbildung von dringend gefragten Fachkräften, tragen dazu bei, dass geflüchtete Menschen sich aus finanziellen Abhängigkeiten lösen können, und entlasten die Gemeindehaushälter.

 

Lisa Letnansky, Kantonsrätin AL

Dass die SVP das Referendum gegen die Abschaffung der fünfjährigen Wartefrist für Stipendien für vorläufig aufgenommene Geflüchtete ergriffen hat, ist mehr als befremdlich. Der Forderung derselben Partei, dass Geflüchtete nicht auf Kosten des Staats leben sollen, würde nämlich genau durch diese Massnahme Rechnung getragen werden. Durch eine Berufsausbildung würden sich junge Geflüchtete nicht nur von der Sozialhilfe lösen, sondern auch eine langfristige Perspektive jenseits des Billiglohnsektors aufbauen. Dass vorläufig aufgenommene Ausländer:innen meist langfristig in der Schweiz bleiben, hat nämlich auch der Bund erkannt, als er den Kantonen in seiner Integrationsagenda das Ziel setzte, dass zwei Drittel aller 16-25-jährigen vorläufig Aufgenommenen nach fünf Jahren Aufenthalt in der Schweiz eine Ausbildung absolvieren sollen. Denselben Personen eine fünfjährige Wartefrist für Stipendien aufzuerlegen, stellt eine unnötige, willkürliche und diskriminierende Hürde für einzelne Bevölkerungsgruppen und für das Erreichen unseres selbst gesetzten Ziels dar. Des Weiteren macht es auch keinen Sinn, die Asylverfahren zu beschleunigen, nur um die jungen Menschen dann von einer auf die nächste Wartebank zu setzen. Die Abschaffung der Wartefrist für Stipendien ist aus pragmatischer Sicht eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

 

 

Kathrin Wydler, Kantonsrätin Die Mitte

Mit der Verweigerung von Stipendien werden Rückführungen nicht beschleunigt. Deshalb macht es absolut Sinn, dass junge Menschen mit Status F auch sozial und beruflich schnell integriert werden und einen existenzsichernden Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Dazu haben sich Bund und Kantone mit der Integrationsagenda Schweiz seit 2019 verpflichtet. Mit den notwendigen Stipendien ermöglichen wir jungen Menschen, dass sie mit einer Berufslehre oder einem Studium starten und so in Zukunft für sich selbst aufkommen können. Dadurch können auch volkswirtschaftliche Kosten gesenkt werden. Wir alle profitieren davon, wenn junge Menschen, welche voraussichtlich in der Schweiz bleiben werden, möglichst schnell integriert werden. Auf der einen Seite erhalten die jungen Menschen eine Perspektive, werden in der Gesellschaft eingebunden und haben keine unnötigen Unterbrüche in der Bildungsbiografie. Auf der anderen Seite können die Gemeinden Sozialhilfekosten einsparen und die Wirtschaft ist beim heutigen Fachkräftemangel auf jede weitere, qualifizierte Arbeitskraft angewiesen. Das gut investierte Geld in die Bildung von geflüchteten, jungen Menschen wird sich mit einem mehrfachen Gewinn durch zusätzliche Steuereinnahmen und Verminderung von Sozialkosten auszahlen. Mit der Gewährung der Stipendien ermöglichen wir den jungen Menschen, dass sie ihr Leben selbst und eigenverantwortlich an die Hand nehmen können. Gerade auf dieser Eigenverantwortung basiert ja auch der Erfolg unseres Landes.

 

Christ Stünzi, Kantonsrätin GLP

Wir fordern von den jungen Menschen Integration, dann müssen wir ihnen aber auch die Möglichkeit geben ein Stipendium zu beantragen und sie nicht künstlich 5 Jahre warten lassen. Durch eine Ausbildung werden junge Menschen befähigt, ein selbständiges und wirtschaftlich unabhängiges Leben zu führen. Zudem trägt, wer eine Ausbildung hat, auch zum Steuersubstrat bei. Jeder Mensch soll seinen Fähigkeiten entsprechend einen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Entsprechend ist es konsequent, wenn wir Integration fordern und entsprechende Hürden - wie diese 5 Jahre Wartefrist – abbauen.

 

Monica Sanesi, Präsidentin Socondas Zürich

Als überparteiliche Lobbyorganisation ist eines der Ziele von Secondas Zürich, die Gleichbehandlung und Mitsprache von Migrant:innen – dazu zählen auch geflüchtete Menschen – in Ausbildung und Beruf. Aus- und Weiterbildung ist ein zentrales Anliegen und ermöglicht den Menschen ein selbständiges Leben, gibt ihnen Selbstvertrauen und eine Zukunftsperspektive. Für die erfolgreiche Integration sind dies wichtige Aspekte. Durch die Abschaffung der unnötigen, sehr langen Wartefrist von 5 Jahren wird Chancengerechtigkeit geschaffen, von der unsere ganze Bevölkerung profitiert.

 

Sanija Ameti, Co-Präsidentin Operation Libero

Wie kann man als Partei dagegen sein, dass Personen aus einkommensschwachen Familien eine Ausbildung leisten können? Wie kann man dagegen sein, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund, in diesem Fall vorläufig Aufgenommene, zeitnah in den Arbeitsmarkt einfügen und so von der Sozialhilfe wegkommen? Ganz einfach: Indem die Macht jener Partei davon abhängt, Probleme zu bewirtschaften, anstatt sie zu lösen. Operation Libero ist heute aber besonders glücklich: Eine breite Allianz aus Die Mitte, GLP, SP, Grüne und AL setzt sich für das Bildungsgesetz ein, und damit für liberale Ur-FDP-Anliegen: Bürokratieabbau und Chancengleichheit. Wo ist dann die FDP, fragen sie? ich weiss es auch nicht.

 

 

 

 

Fakten und Zahlen

Stipendienbezug im Kanton Zürich: Stipendien werden an Personen ausgerichtet, die eine Erstausbildung an einer Berufsschule, einer Mittelschule (Sekundarstufe II) oder einer Hochschule (Tertiärstufe) absolvieren. Die Idee dahinter ist, dass sich auch Personen aus einkommensschwachen Familien eine Ausbildung leisten können. Im Jahr 2022 wurden 63% der Stipendien an Bezügerinnen und Bezüger der Sekundarstufe II ausbezahlt bzw. 36% der Tertiärstufe.

Vorläufig Aufgenommene: Vorläufig aufgenommene Ausländer:innen sind Personen, die in einem individuellen Asylverfahren zwar nicht als individuell verfolgte Flüchtlinge anerkannt worden sind, die aber trotzdem eine Bewilligung (Ausweis F, vorläufig aufgenommene Ausländer) erhalten haben und in der Schweiz bleiben dürfen, weil eine Rückkehr ins Herkunftsland beispielsweise wegen Krieg unmöglich, unzumutbar oder unzulässig ist.

Diese Personen sind berechtigt zu arbeiten. Bund und Kantone haben sich mit der «Integrationsagenda Schweiz» seit 2019 dazu verpflichtet, die berufliche und soziale Integration der vorläufig Aufgenommenen zu fördern – genau wie für anerkannte Flüchtlinge.

Personen mit vorläufiger Aufnahme erhalten einen geringeren Ansatz für die Sozialhilfe (ca. 30% tiefer, sogenannte Asylsozialhilfe). Die Integration ist dadurch erschwert und die Notwendigkeit von Stipendien umso höher.

Der F-Ausweis kann nach jeweils einem Jahr verlängert werden. Nach fünf Jahren kann der F-Ausweis in einen B-Ausweis (Aufenthaltsbewilligung) umgewandelt werden, wenn Integrationsbedingungen erfüllt sind.

Fakt ist: Über 80% der Personen mit F-Ausweis bleiben gemäss eines Berichtes des Bundes langfristig bis dauerhaft in der Schweiz. Die grosse Mehrheit der vorläufig Aufgenommenen stammen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea und Somalia. Dort herrschte und herrscht immer noch Bürgerkrieg. Es sind Kriegsflüchtlinge.

Es gibt in der schweizerischen Politik immer wieder Bestrebungen, die «vorläufige Aufnahme» umzubenennen. In der EU beispielsweise wird ein vergleichbarer Schutzstatus als «subsidiärer Schutz» bezeichnet – «vorläufig» ist im Titel nicht vorhanden.

Personen mit negativem Asyl-Entscheid und einer verfügten Wegweisung («Abgewiesene»), erhalten keinen F-Status. Sie sind also von der Lockerung der Stipendienregelung nicht betroffen.

Zahlen Kanton Zürich: Im Kanton Zürich leben 7'400 vorläufig Aufgenommene, davon rund 1200 im Alter von 17 bis 25 Jahren (siehe Monitoringbericht über die Umsetzung der Integrationsagenda 2022 der kantonalen Fachstelle Integration). Diese Altersgruppe der 17-25-jährigen ist die Hauptzielgruppe für Stipendien. Aus dieser Altersgruppe befinden sich drei Viertel in Vorbereitung auf eine postobligatorische Ausbildung oder sind bereits in Ausbildung. Etwa 25% von ihnen sind zurzeit weder in einer Ausbildung noch in einer Erwerbstätigkeit.

Langfristig profitiert der öffentliche Haushalt: Bei einem Wegfall der Wartefristen für Stipendien entstehen dem Kanton Mehrkosten von 3 bis 4 Millionen Franken pro Jahr. Langfristig ergibt sich ein finanzieller Gewinn für den Kanton. Aus einem Franken, der in die Bildung von Geflüchteten investiert wird, resultiert ein Gewinn von 3 – 4 Franken für die öffentliche Hand. Das hat eine Studie des Bundes berechnet (siehe: SEM, SBFI, KdK, EDK und SODK: Zahlen und Fakten zur Integrationsagenda, 25.4.2018).

 

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